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Mittwoch, 2. September 2015

Dein eigener Wille zählt



 Liebe Fenja,
In einem Jahr bist du seit vier Wochen Mama. Du hast bereits einige schlaflose Nächte hinter dir, warst schon ein paar Mal kurz vor der absoluten Verzweiflung, weil Pelle mit Bauchweh zu kämpfen hat.
Alles andere als ein Spaziergang ist auch die Schwangerschaft. Monatelange Übelkeit, Unverständnis von anderen Menschen und Rücksichtslosigkeit deiner Situation gegenüber. Dass Schwangerschaft keine Krankheit ist, weißt du. Du kämpfst aber fünf Monate lang gegen Übelkeit und versuchst trotzdem, keine Schwäche zu zeigen. Du wirst Sachen hören wie „Darauf kann ich keine Rücksicht nehmen, es muss fertig werden“ und „Ich rede nicht mehr mit dir, weil du dies und das nicht mehr machst“. Du wirst dich aber auch nicht unterkriegen lassen und bleibst nach außen hin gelassen. Innerlich kochst du vor Wut und hast Angst um dein Baby. Der Stress macht dir zu schaffen. Lass es einfach raus, lass die Tränen raus und denke an dich. Opfere dich nicht für andere auf, sondern denke nur an dein Baby. Dein erstes Baby, das Wunschkind von dir und Alex. Sage den Menschen, was sie eigentlich in dir drin anrichten.
Das Stichwort Schwangerschaftsdiabetes ist ein großer Bestandteil der Schwangerschaft. Der Nüchternwert des großen Zuckertestes ist um fünf Punkte zu hoch. Das allerdings nur an einem Tag. Für deine Ärztin trotzdem ein Grund, dich zum Diabetologen zu schicken. Du wirst von der Arzthelferin zu hören bekommen „Stellen Sie Ihre Ernährung um“, obwohl sie keine Ahnung hat, wie du lebst. Es macht dich so dermaßen wütend, dass du stellenweise kurz vorm Platzen bist. Aber sei gewiss, so viele sind auf deiner Seite. Freundinnen und vor allem dein Alex. Drei Wochen lang wirst du täglich den Blutzuckerwert messen und keine Auffälligkeiten entdecken. Der Diabetologe möchte dich trotzdem nochmal zu einem Gespräch sehen. Behalte deinen Willen und deine Durchsetzungskraft bei. Denn du hast ein gutes Körpergefühl, du weißt, was in dir vorgeht. Lass dich nicht verrückt machen von irgendwelchen Ärzten. Sie werden die Fehldiagnose nicht einsehen und nicht nachvollziehen können, dass der hohe Nüchternwert auf Stress und österliche Süßigkeiten zurückzuführen ist. Du bist kerngesund. Du hast auch tolle Freundinnen und Hebammen um dich herum, die dich mit Informationen rund um Schwangerschaftsdiabetes versorgen und dich bestärken, dass es dir und dem Baby gut geht. Die zweite Meinung einzuholen ist wichtig. Sei mutig und erkläre auch den Ärzten, dass sie ihre Fehldiagnose zugeben sollen.
Viele Stunden wirst du dir Gedanken über die Geburt machen. Du wirst viel lesen und dich informieren. Und du weißt die ganze Zeit „Das haben andere auch schon geschafft“. Dir ist bewusst, dass eine Geburt mit Schmerzen verbunden ist. Aber du weißt auch, dass du danach dein Baby im Arm halten wirst. Diese Einstellung wird dir wahnsinnig helfen. Die Gelassenheit, die du nach außen trägst, setzt sich nach einer Weile auch in deinem Innersten durch. Du wirst keine Angst haben, die brauchst du auch nicht. Das Krankenhaus, das du dir ausgesucht hast, wird sich als ideale Wahl herausstellen. Noch besser, als du es dir vorgestellt hast. Deine Aussagen „ Das muss ich jetzt durch“ und „Millionen Frauen haben das schon geschafft“ helfen dir. Der Optimismus ist wichtig für dich und du gibst ihn nach außen weiter. Stellenweise ist die Geburt sehr heftig und du fängst doch an zu zweifeln. Aber Alex ist bei dir, steht dir bei, versorgt dich mit Wasser. Hinterher nennst du ihn deinen persönlichen „Hebammer“. Als der Sommerspross endlich auf der Welt ist, meinst du, vor Glück fast überschäumen zu müssen. Du bist müde, aber hin und weg, wenn du dieses kleine Wesen anschaust. Und zwei Tage später ist dir auch schon klar: „Ich möchte noch ein Baby.“ 
 Bleib dir treu! Dein älteres Ich

Dieser Brief ist Bestandteil der Sommer-Blogparade auf www.hebammenblog.de mit der Aktion #meinbriefanmich


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