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Samstag, 30. Januar 2016

Das genormte Kind

Uuuuuuuuuund? Dreht er sich schon? Kann er eigentlich schon was sagen? Läuft er schon? - Oh, all diese vielen Fragen. Natürlich, laut Statistik dreht sich ein Kind mit soundsovielen Monaten, zwischendurch kommt der erste Zahn und so geht es Schritt für Schritt. Ein Hoch auf unsere Menschheit, dass wir uns alle gleich entwickeln, gleich groß sind und die gleichen Fähigkeiten haben. Ach, doch nicht? Trotzdem fragt ein Kinderarzt bei den Untersuchungen alles mögliche ab. Vierfüßlerstand, erste Versuche zu krabbeln? Ja wie,Ihr Kind kann das nicht? Aber es sitzt? Nein, das darf es nicht. Es stellt sich die Frage, ob man das eigene Kind einfach brüllen lässt, wenn es auf dem Rücken liegt, aber sitzen möchte. Ach ja, tschuldige, ich vergaß. Ein Kind schreien zu lassen, stärkt dessen Lungen. Wurde mir vor einigen Wochen tatsächlich gesagt...
So, aber wie war das nun mit der Entwicklung? Mir fällt da spontan ein Beispiel von zwei Jungen ein. Sie sind nur zwei Tage auseinander. Geht man nach der Meinung diverser Quacksalber müssten sie jetzt also dieselben Fähigkeiten haben. Kind 1 dreht und kugelt sich fröhlich durch die Welt. Kind 2 sitzt derweil gemütlich auf der Spieldecke und klappert mit dem Spielzeug. Gerne zieht es sich hoch und will auch mal stehen. Mit Hilfe natürlich. Drehen? Nur wenns unbedingt sein muss! Beispielsweise wenn der Teddy, Ball oder sonst was nicht anders zu erreichen ist. Noch ein Unterschied: ein Kind liebt Brei, das andere matscht lieber das Essen von Mama und Papa. Beide Kinder sind fröhlich, gesund und werden wunderbare Rabauken. Jetzt, liebe Mediziner, läuft da was falsch? Oh, ich vergaß zu erwähnen, dass ein Kind noch nicht abgestillt ist. Und noch schlimmer: es wird nach Bedarf gestillt. Ja, ich weiß, dann trifft angeblich neue Milch auf alte Milch. Das gibt Bauchweh. Diese Auffassung wird wahrhaftig noch von manchen Menschen vertreten. Deshalb solle man immer Abstände von vier Stunden einhalten. Außerdem brauche eine Mutter ja zwischendurch Ruhe. Und wenn das Kind weint? Ach ja, im Märchenwald rund im Babys ist mir glatt entgangen, dass die Lungen unbedingt gestärkt werden müssen. Ich könnte mir vorstellen, dass Atemübungen oder ein Urlaub an der See da kinderfreundlicher sind. Ich wäre gerne bereit, das nachzuweisen. 
Zurück zu den Entwicklungen von Kindern. Ein Freund erzählte mir kürzlich, dass seine Tochter rückwärts auf einem Bein hopsen konnte, aber mehr als Mama sagen zunächst als ein Ding der Unmöglichkeit erschien. Der gleichaltrige Freund hingegen mutete als früher Rhetoriker an, lag aber nur faul auf dem Rücken und bewegte sich nicht. Seltsamerweise hat sie mittlerweile sogar Abi gemacht, er ist ein sehr guter Schwimmer. Haben sich die Ärzte da vielleicht in ihren Statistiken geirrt? Kann man ein Kind doch nicht normen? Wir beobachten weiter. 

Donnerstag, 28. Januar 2016

Daddy allein zu Hause

Sechs Monate ist der Knopf jetzt schon alt. Den einen oder anderen Tag war ich Rabenmuddi schon ohne Kind weg, zumindest stundenweise. Oder mal einen ganzen Abend. Der stolze Papa hatte also jede Menge Möglichkeiten, sich im wickeln, füttern und in der MB (Maximalbespaßung) zu üben. Letzteres steht für Party auf dem Wickeltisch. Der Tag rückte näher, an dem Muddi von morgens um acht bis Mitternacht weg sein wollte. Es lockte ein Lehrgang mit Konzert. Kein Problem, sagte der Papa vorweg. Wir schaffen das. Ok, ein bisschen blass war er schon um die Nase. Horrorvorstellungen à la er schafft es nicht mal zu einem Kaffee (undenkbar), muss mit Kind aufs Klo (ich zähle ja die Momente ohne Kind auf dem stillen Örtchen), Sohnemann weint die ganze Zeit (und ich muss zurückfahren), er fängt doch an, vorzusingen (bislang hat sich der Papa ja standhaft geweigert, ebenfalls sämtliche Kinderlieder zu singen), gleichzeitig klingeln Briefträger, Paketdienst und Schornsteinfeger. Aber der Papa blieb tapfer und ich stieg morgens ins Auto. Der Tag war schließlich fest durchgetaktet. Nicht nur für mich, auch für Papa und Sohn. Um nicht zwischen Herd und Kind hin- und herzuhüpfen zu müssen, war das Mittagessen bei Oma und Opa organisiert. Inklusive Kaffeeklatsch. Trotzdem: ein bisschen bange war mir schon. Weint mein Kind? Hab ich den Windelbeutel bestückt? Schmeckt die olle Flasche? Bald erreicht mich die erste Nachricht: So, ordentlich eingesch*****. Und: Kind pennt. Fein! Ich stürzte mich voller Elan in die Generalprobe. Wieder eine Nachricht. Ich erwarte das Desaster. Aber nein, nur der liebenswerte Hinweis, dass es nur noch 13 Stunden und 40 Minuten seien, bis die Rabenmuddi wieder da ist. Mittags die nächste Info: Sind bei Oma und Opa. Dort schlief der Spross anstandslos in Omas Bett. Bitte was? Hinlegen und schlafen ohne Gezeter? Ich bin verblüfft.
Dann... stundenlang keine Meldung.  Schreckensszenarien huschen durch meinen Kopf. Das Haus ist eingestürzt, der Windeleimer explodiert (Gefahrguttransport). Ich frage nach und werde informiert: Kind spielt. Hat es Valium bekommen? Nein, Vater und Sohn haben sich nur gegen mich verschworen. Woran ich merke, dass es doch mein Kind ist und nicht beim Tauschbasar gelandet ist: Es spuckt die Milch im hohen Bogen so, dass nicht nur Kind, sondern auch Papa sich komplett umziehen müssen. Ich bin beruhigt. Es ist also alles normal, Söhnchen hat sich nur vorgenommen, in sonstiger Hinsicht perfekt zu sein. Als ich gegen kurz vor Mitternacht die Haustüre öffne, ist alles ruhig. Nur der Fernseher ist leise zu vernehmen. Die Frage aller Fragen: liegen sie gemeinsam auf der Couch und gucken Sportnachrichten? Nein, Papa guckt alleine. "Er schläft", informiert er mich. Wahrscheinlich seit Stunden, grummele ich in mich hinein. Auf jeden Fall ganz brav und lieb. Ich bin echt von den Socken. Doch irgendwann, endlich, kommt es mir: Sohnemann ist schlau! Je lieber er beim Papa ist, desto öfter kann ich wieder alleine weg. Mein Ticket in einen freien Abend.

Mittwoch, 20. Januar 2016

Erlebnisbericht eines Sommersprosses Teil II

Ja, hallo. Ich melde mich auch mal wieder zu Wort. Mein Leben ist ja ganz schön actionreich. Ständig werde ich ins Auto verfrachtet, es geht zu Oma, Opa, Onkel, Tante, Pony, Frühstück oder zu irgendwelchen anderen Kindern. Die haben meistens auch viiiieeeeeeel tolleres Spielzeug als ich. Das sabber ich sehr gerne an - muss schließlich wissen, wie das so schmeckt. Jedenfalls besser als mein Spielzeug. Liegt eventuell daran, dass da schon die Kinder von Mamas Freundinnen rumgelutscht haben. Ok, genug geschwafelt. Mama ist immer mit mir auf Achse. Letztes Wochenende hat sie aber den Vogel abgeschossen. Ins Auto hat nicht mal mehr ein Schlüppi von meiner Tante reingepasst. "Wir fahren auf den Forst", erklärte mir Mama. Dazu brauchte sie also einen Wäschekorb mit meinen Sachen, Kaffeemaschine, Käse, Kekse, Wein und eine große schwarze Tasche mit zwei seltsamen glitzernden Blechdingern drin. Weiß der Kuckuck, was das sollte. Doch irgendwann waren wir da - auf dem Chorleiterlehrgang. So nennt Mama den Forst nämlich auch. Was mir dort blühte, oh je! Ganz viele fremde Menschen! Und viel Musik. Seltsame Angewohnheiten haben die dort. Gefallen hat mir, dass vor und nach dem Essen immer gesungen wurde. Das klingt viel besser als wenn Mama alleine singt. Fröhlich habe ich auch immer mitgequiekt. Es hieß ja "Wenn möglich vierstimmig singen". Nun gut, hab ich eben noch eine fünfte Stimme dazu gesungen. Bis zum nächsten Jahr hör ich auch auf, wenn alle aufhören. Man muss mir ja auch sagen, dass das Lied zu Ende ist, wenn vorne niemand mehr fuchtelt. Apropos fuchteln. Das wird auf dem Forst ständig gemacht. Und dazu gibt es Radau aus den glitzernden Dingern, wie sie Mama auch hat. Sie sagt Trompete oder Flügelhorn dazu. Die anderen haben andere Bezeichnungen für ihre Radaumacher. Vor allem die, die so einen ausfahrbaren Zug haben, sind laut. Samstag war ein Gastreferent da. Der fuchtelte oder haute mit den Händen auf schwarze und weiße Tasten. Da kamen auch Töne heraus. Seltsam. Das glitzerte nicht.
Das Thema der Woche war übrigens Trost. Morgens redete immer einer oder eine darüber. Dann waren die anderen Teilnehmer still, hörten zu und manch einen habe ich auch dabei ertappt, wie er sich tiefer in den Stuhl kuschelte. Mein Fazit: Trost ist was feines. Das sagte ein Redner auch. Stillen bietet Trost. Ach nee, so an der Milchbar rumzuhängen ist ja auch eine feine Sache. Noch besser ist es, wenn immer jemand da ist, der mich in den Arm nimmt und tröstet. Zum Beispiel, wenn mir mal wieder jemand mein Spielzeug weggenommen hat.
Nachts sollte ich ins Bett. Ha, Pustekuchen. Ich wollte dabei sein. Die mampften die ganze Zeit!!!!!! Obwohl es doch grad erst Abendessen gegeben hatte. Reichte das nicht? Jedenfalls, ich wollte dabei sein. Kaum brachte mich Mama oder Tante ins Bett, fing ich an zu zetern. Hihihihi, irgendwann gaben sie auf - und ich durfte bei Schwarzwurst und Zwiebelsalat, Wein und Bier; Pralinen, Brot und Käse auf Mamas Arm schlafen. Fröhlich ging es nachts zu - und wurde immer fröhlicher. Das will ich auch mal! Sonntag nahm Mama mich mit in den Gottesdienst. Auf dem Boden sollte ich auf einer Decke spielen. Von wegen. Ich war nach einer langen Nacht müde und wollte schlafen. Auf dem Arm natürlich. Dazu ein bisschen Krach von den glitzernden Dingern und schöner Gesang- so lässt es sich aushalten.
Übrigens habe ich ebenfalls leckere Sachen bekommen: Schupfnudel und Lyoner, das war ein Gematsche. Es ist sonst ja wirklich eine Frechheit, alle haben volle Teller und mir bietet man nur Mamamilch an. Nix da, gleiches Recht für alle. Und irgendwann möchte ich mit den glitzernden Dingern spielen. Die klingen bestimmt prima, wenn ich sie auf den Boden haue.

Freitag, 15. Januar 2016

Das schmatzende Taufgespenst

Ob man jetzt taufen lässt oder nicht, ist egal. Mir ist ganz klar: meinem Sohn hat es gefallen. Um nicht zu sagen, er war völlig hin und weg von seiner Taufe. Kindliche Freude zeigte sich von Anfang bis Ende in seinem Gesicht. So mal aus seiner Perspektive betrachtet, ist das auch nur zu verständlich. Er bekam das flotte Familientaufkleid an (ok, in einigen Jahren wird er seine Eltern dafür verklagen) und sah damit aus wie Hui-Buuh, das Schlossgespenst. Wer darf denn schon von sich behaupten, mal in einer Kirche gespukt (nicht gespuckt) zu haben? Geflogen ist er leider nicht.  Dann der Sitzplatz. Erste Reihe natürlich, auf Mamas Arm muss man ja fast nicht erwähnen. So hatte er die beste Sicht. Na gut, wenn er nicht gerade versuchte, das Gesangbuch oder das Liedblatt anzukna...  Schnaaarch.... oh, das war wohl sehr gemütlich. Plötzlich wurde ihm Wasser über den Kopf geleert. Unverschämtheit! Seine Cousine und sein Cousin waren sich bei der Frage des Pfarrers auch nicht ganz einig. "Es ist ein bisschen kalt", fand sein Cousin. "Das ist warm", freute sich die Hochpieps, Tiefpieps und Hochpieps-Cousine. Wie dem auch sei: ein kurzer Schrei, als der Pfarrer das Wasser über den Kopf des Täuflings kippte. Und schnell wieder schnaaaaaaaaarch. Vor allem während der Predigt schlummerte Söhnchen tief und fest. Naja. Bis zur Hälfte. Dann kam der Hunger. Schnell! Jetzt! Aber wohin? Auf die Empore. Dort ging es flugs an die Milchbar - wie groß der Hunger war, konnten alle Kirchgänger hören. Denn wenn es schmeckt, wird geschmatzt... Das Bäuerchen kam zum Glück nur leise während des Gebets. Ganz großes Kino war das anschließende Fotoshooting: die Taufkerze flimmert und flackert und leuchtet. Herrlich, der Gesichtsausdruck (offener Mund und staunende Augen), dazu Hände, die nach der Kerze greifen wollen... ein Moment für die Ewigkeit. Dazu ein Stück Brezel in der Hand - leider hat sich der Täufling kein Beispiel an seiner Tante genommen. Sie hatte vor knapp 30 Jahren einen Autoschlüssel in der Hand - den sie voller Elan ins Taufbecken pfefferte. Mit einer Brezel wäre der Spaß noch größer gewesen. Aber es war ein braver Täufling.
Tolle Überraschungen folgten am Nachmittag. Geschenkpapier. Bänder. Wie das doch alles raschelt und knistert - kann nicht jeden Tag Taufe sein? Die ganze Zeit wurde der Täufling rumgetragen, hach, wie schön! Neues Spielzeug dazu zum ansabbern. Taufe ist einfach toll, dachte sich Söhnchen.

Montag, 11. Januar 2016

Friends for life

Kinder brauchen Freunde, ganz egal ob im Kindergarten, in der Schule oder sonstwo. Manchmal gibt es Streit, Auseinandersetzungen, ganz oft geht es aber auch um Toleranz und Integration. Beispielsweise von Zugezogenen. Manch eine Familie muss wegen der Jobs der Eltern umziehen, kommt so von einem Bundesland in das nächste. Die Familie gibt dafür viel auf, Familienangehörige bleiben zurück, Omas, Opas, Tanten und Onkel. Auch Freunde werden zurückgelassen, wenn es in die neue Heimat geht. Manch ein Kind versucht, durch jahrelange Brieffreundschaften die Freundschaft aufrechtzuerhalten. Das funktioniert manchmal, aber leider nicht immer. Am neuen Heimatort angekommen, macht sich jeder auf die Suche nach neuen Bekanntschaften. Sind die Dialekte verschieden oder gar nicht vorhanden, fällt man als Neuankömmling natürlich sofort auf. Insbesondere in kleinen, beschaulichen 1500-Einwohner-Dörfchen. "Sie überschwemmen meine Schule mit Kindern", klingt es da vorwurfsvoll vom Schulrektor, als zu Schuljahresbeginn gleich drei Kinder unterschiedlichen Alters aus einer Familie neu an die Grundschule kommen. Das ist leider nur der Anfang einer jahrelangen Phase des Ankommens. "Kümmert euch um Kinder, die neu in der Klasse oder im Ort sind", schärft die Mutter ihren Sprösslingen immer ein. Und das tun sie, sie laden neue Kinder ein - sie wissen schließlich selbst, wie es ist, neu im Ort und neu in der Klasse zu sein. Doch irgendwann sind die drei Kinder Außenseiter. Der Junge wird Opfer von Prügelattacken, die kleine Schwester stellt sich oft schützend vor ihn. Die große Schwester hat ebenfalls zu kämpfen, kommt sie schließlich nach der vierten Klasse als einziges Mädchen der Klasse aufs Gymnasium. "Da gehen nur die Hochnäsigen hin", sagen ihre Klassenkameradinnen. Also sagt die Tochter, sie möchte nicht aufs Gymnasium, ihre Eltern setzen sich jedoch durch. Im Konfirmandenunterricht trifft sie ihre alten Klassenkameraden wieder. "Du hast doch nur Einser", wird ihr vorgeworfen. Sie entgegnet, dass das nicht so ist, in Mathe ist sie leider eine Null. "Du bist ja voll der Streber", heißt es dennoch weiter. Sie bleibt freundlich, denn auf der weiterführenden Schule hat sie neue Freundinnen gefunden. Denen ist es egal, dass sie keinen Dialekt spricht und nicht seit Uhrzeiten im Ort wohnt. Ihrem Bruder stehen noch lange Jahre des Terrors bevor. Er kommt grün- und blaugeschlagen nach Hause. "Mein Kind tut so etwas nicht", sagt die Mutter des prügelnden Jungen zur Mutter. "Ihr Kind lügt." Obwohl es Beweisfotos gibt. Nun heißt es im Ort auch noch, dass die Kinder der zugezogenen Familie lügen wie gedruckt. Ein weiterer Junge, der selbst erst zugezogen ist und anfangs freundlich von der ebenfalls neuen Familie im Ort aufgenommen wird, wird zum Anführer der prügelnden Gang. Die Mutter fährt zwei ihrer Kinder jeden Tag zur Schule, um sie vor weiteren Attacken zumindest im Schulbus und auf dem Fußweg zu schützen. Trotzdem gibt es noch Fälle der Erpressung. Man ist eben anders - kommt aus einem anderen Bundesland, ist natürlich und wohnt noch nicht schon immer im Ort. Der Pfarrer predigt sonntags vom Miteinander - trotzdem ist es oft ein Gegeneinander. "Wenn Sie mal sieben Jahre hier wohnen, können Sie sagen, Sie gehören dazu", wird der Mutter gesagt. Dabei ist doch das Miteinander so wichtig, neue Freunde, neue Kontakte. So kennt man es. Neue Menschen bereichern das Leben, neue Freunde bringen Schwung. Kinder und Erwachsene brauchen Freundschaften und Kontakte, nicht die Hänseleien und Prügeleien, die stattdessen oft genug vorkommen. So etwas prägt fürs Leben, Mutter, Tochter, Schwester, Vater und Bruder. Nach einigen Jahren fühlt man sich endlich angekommen. Woran es liegt? Ganz einfach, wahre Freunde sind gefunden, die füreinander einstehen, miteinander durch dick und dünn gehen, egal in welcher Lebenslage. Da ist es egal, ob man groß oder klein ist, Dialekt spricht oder nicht, schon immer dort wohnt oder nicht. So entstehen Freunde fürs Leben. Und der Ort, in den man einst gezogen ist? Er wird als Schlafplatz angesehen, mehr nicht.

Mittwoch, 6. Januar 2016

Kinder, Cousins und Cousinen

Kinder kloppen sich untereinander, raufen sich und streiten ums Spielzeug. Kann gut sein und irgendwie ist es ja auch zum brüllen. Vor kurzem kam eine Freundin mit ihrer Tochter zu Besuch. Hauptattraktion war natürlich das Spielzeug. Bälle, Kuscheltiere und ein bunter Kreisel, um nur ein paar Dinge aus dem Kinderparadies zu nennen. Es hätte ja auch noch eine Eisenbahn gegeben. Und zwei Spielbögen. Aber nein, beide Kinder interessierten sich für den Kreisel. Zufällig gleichzeitig. Die Folge: Gebrüll! Sehr zur Belustigung der Muddis. Nicht dass auch nur ein Kind so motorische Begabungen gehabt hätte, dass es den Kreisel zum Drehen gebracht hätte. Mein Nachwuchs wollte ansabbern, die Tochter meiner Freundin abtasten. Kommentar einer Psychologin zu dem Thema: "Er war noch nicht fertig mit Gucken." Ähm... bestimmt. Das wird herrlich, wenn sie eines Tages mit Bauklötze-gucken nicht fertig sind und sich diese gegenseitig an die Birne hauen.  Andere lustige Begegnungen mit Kindern. Mein Bruder hat schon früh mit der Familienplanung losgelegt, ein Sohn und eine Tochter, sechs und knapp vier Jahre alt, sind das Resultat. Beide stürzen sich voller Freude auf ihren kleinen Cousin, sein Spielzeug (ich wusste nicht, dass auch Sechsjährige sich noch unter einem Dschungel-Spielbogen wohl fühlen) und versuchen, den Maxi-Cosi zu tragen. Der wiegt mit Kind aber fast soviel wie meine Nichte... Ganz wichtig ist vor allem meiner Nichte, unseren Sommerspross auf die familiären Beziehungen hinzuweisen. Biologie für Kinder könnte man es nennen. "Hier ist deine Cousine", piepst sie dann und damit mein Sohn gleich merkt, mit wem er es zu tun hat, singt sie ihm noch vor. Zehn Minuten später, Sohnemann strampelt fröhlich vor sich hin. Meine Nichte geht zu ihm. Es ist ganz wichtig, ihn daran zu erinnern, wer sie ist: "Hallo, hier ist deine Cousine." Aus dem Hintergrund tönt es von meinem Neffen: "Und dein Cousäähääng." Es stört Söhnchen nicht, er brabbelt irgendwas vor sich hin. Wahrscheinlich "Ich bin dein Cousin." Dann stimmt er in den Gesang mit ein. Irgendwann ist der Sommerspross müde und schläft ein. Sicher vergisst er alles, wenn er im Land der Träume ist. Zur Sicherheit erinnert ihn seine Cousine (Hochpieps, Tiefpieps und Hochpieps) an ihre Verbindung zueinander: "Hallo, hier ist deine Cousine." Hochpieps, Tiefpieps und Hochpieps. Ihr Bruder stimmt mit ein: "Und dein Cousäähääng." Damit alles geklärt ist.
Zwei Tage später telefonieren wir. Meine Nichte möchte mit ihrem Cousin sprechen: "Hallo, hier ist deine Cousine." Von großer Bedeutung ist der Tonfall. Hochpieps, Tiefpieps und Hochpieps. Jede Silbe anders betont. Und aus dem Off kommt eine andere Stimme: "Und dein Cousäähääng." Ich sehe es schon vor mir, wenn in der Schule die Familie durchgenommen wird, sagt mein Sohn: "Ich hab eine Cousine. Und einen Cousäähääng." Hochpieps, Tiefpieps und Hochpieps. 

Sonntag, 3. Januar 2016

Ein Sonntagslicht

Sind wir doch mal ehrlich: ein Besuch im Seniorenheim ist meistens eine ziemlich traurige Angelegenheit. Pünktlich zur Kaffeezeit rückt man an. Dann sitzen sie dort, die Senioren. Einige werden gefüttert, weil sie zu alt oder zu krank sind, um selbst zu essen. Vor jedem Heimbewohner steht ein Stück Kuchen, eine Tasse Kaffee, ein Glas Wasser. Es sieht lecker aus. In sich versunken essen die Senioren ihren Kuchen, trinken den Kaffee. Geredet wird kaum. Man hört das Klappern der Tassen, die Geräusche, die die Gabeln auf einem Teller machen. Das Pflegepersonal kümmert sich um die Senioren, hilft beim Essen oder wischt hier und dort ein bisschen Geklecker weg. Manch ein Heimbewohner hat Besuch und mit Engelsgeduld erklärt eine Tochter ihrer bewegungseingeschränkten Mutter, wie sie den Kuchenbissen zum Mund führen soll. Alles im Raum ist wunderhübsch dekoriert. An einem Weihnachtsbaum leuchten Kugeln, Lametta und Kerzen. Trotzdem wirkt der Raum einsam. Plötzlich verändert sich die Stimmung. Ein Ehepaar betritt mit ihrem Baby den Raum. Die Senioren wirken wie ausgewechselt, betrachten interessiert den Maxi-Cosi. "Was ist es denn?" "Wie heißt er?" "Wie alt ist er?" Die Stimmung erhellt sich. Der kleine Fratz wird aus dem Maxi-Cosi herausgenommen, grinst mit seinem zahnlosen Lächeln in die Runde. Die Senioren lassen den Kuchen Kuchen sein und lachen das kleine Baby an. Vor einigen Tagen meinte die Schwiegermutter noch "Die Oma verwechselt grad wieder alles". Von Demenz ist aber keine Spur mehr zu sehen. Der Stolz leuchtet aus ihren Augen, als sie ihren Urenkel betrachtet. Dieser greift die ihm dargebotene, faltige Hand. 94 Jahre trennen die beiden. Neugierig begutachtet der fünf Monate alte Junge die Hand der Uroma. Sie lacht und freut sich, ist ganz klar. An diesem Nachmittag verwechselt sie nicht den Sohn mit dem Enkel, weiß, zu wem ihr Urenkel gehört, erzählt nicht, wer angeblich schon da war. Ganz stolz erklärt sie jedem, der fragt, wer heute zu Besuch gekommen ist. Und es scheint so, als würde das Licht des Tannenbaums an diesem Sonntag ein bisschen heller strahlen.